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Graz, 11.-13.10.2007
Erster fester Brückenschlag zwischen
Wissenschaft und Religion
An der Karl-Franzens-Universität in Graz fand am
vergangenen Wochenende ein Bahn brechender Kongress über Religiosität in
Psychiatrie und Psychotherapie statt.
In Zeiten, in denen die holistische (ganzheitliche) Medizin
immer mehr an Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad in der Bevölkerung
gewinnt, kann es sich die Schulmedizin immer weniger leisten, den Menschen
ohne Rücksicht auf seine geistig-seelische Komponente zu
behandeln. Das gilt natürlich insbesondere für Psychiatrie und
Psychotherapie.
So wie die Psychiatrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der
menschlichen Sexualität ein gesellschaftliches Tabu brach, so bricht sie
jetzt zu Beginn des neuen Jahrtausends ein anderes, vielleicht das letzte
Tabu, das nicht nur in den Psycho-, sondern überhaupt in allen etablierten
Wissenschaften herrschte: die menschliche Religiosität.
Denn seit der schmerzhaften Trennung von Religion und
Wissenschaft in der Renaissance, bei welcher die Religion keine ruhmreiche
Rolle spielte, postulierte die Wissenschaft ein Dogma:
wissenschaftlich beweisbar ist nur, was physikalisch messbar
ist. Damit diskreditierte sie zwar die Religion als
Wissenschaft, verwies sich selbst allerdings dadurch ins materialistische
"finstere Mittelalter". Seitdem ist die Wissenschaft
geist- und seelenlos, weil sie a priori alles Meta-Physische
ablehnt. Sogar den neutralen Begriff "Intelligentes Design"
empfindet die atheistische Wissenschaftslobby als Blasphemie und
organisierte eine regelrechte Hexenjagd auf jeden, der ihn
verwendete.
Wenn sich die Wissenschaft selbst einer Psychoanalyse
unterziehen würde, käme sie darauf, dass sie paranoische Angst davor hat,
irgendetwas anzuerkennen, was nur irgendwie mit Religion zu tun
hat. Erstens, weil sie die Ungerechtigkeit, die sie
ihrerseits der Religion angetan hat, verdrängen will, zweitens, weil sie
irreale Angst hat, dass der Religion dadurch ein Comeback gelingen
könnte. Irreal, weil es die Inquisition schon seit
Jahrhunderten nicht mehr gibt und die Hüter des Glaubens von heute keine
Feinde des Wissens und der Vernunft sind, im Gegenteil.
Den ersten nicht messbaren, jedoch nachprüfbaren Beweis, dass
es so etwas wie den menschlichen Geist geben muss, lieferte C.G.
Jung mit seiner Entdeckung des "kollektiven
Unbewussten". Bei jedem Individuum sind archetypische Bilder
vorhanden, auch wenn diese nicht durch Erziehung oder gesellschaftliche
Einflüsse entstanden sind. Wenn wir sie nicht gelernt haben,
wenn wir sie nicht genetisch geerbt haben*, wie
sind sie dann in uns gekommen ? Jede mögliche Antwort weist
auf etwas Nicht-Materielles hin. Die Forschung in diese
Richtung wurde gestoppt, und nur weil Jung diese offensichtliche
Schlussfolgerung nie explizit ausdrückte und sein Werk eher agnostische
Züge trägt, wurde er vom Establishment geduldet.
Viktor
Frankl, der erste große Wissenschaftler, der eine Brücke zw.
Psychiatrie und Theologie zu bauen versuchte und als "Vater der Versöhnung
zwischen Wissenschaft und Religion" bezeichnet werden kann, hatte noch
weniger Glück mit den mächtigen Psycho-Gremien. Seine
Logotherapie, die zahlreiche empirische Beweise brachte, dass Religiosität
für einen psychisch gesunden Menschen notwendig ist, wird bis heute
großteils ignoriert und tabuisiert. {wir
berichteten}
In den 70er und 80er Jahren fanden Kosmologen und Kernphysiker
reihenweise zu einem Schöpfer-Gott, angesichts des immer erkennbarer
werdenden Sinnes im unüberschaubar komplexen System des Mikro- und
Makrokosmos, das sich in einer intelligenten Zielstrebigkeit der Kräfte
und Gesetze des Universums zur Entstehung des Seins und zur Erhaltung des
Lebens offenbarte.
Einer von ihnen, Max Thürkauf, Professor für physikalische Chemie,
sagte: "Die moderne Physik führt uns notwendig zu Gott hin, nicht
von ihm fort. Keiner der Erfinder des Atheismus war
Naturwissenschaftler. Alle waren sie sehr mittelmäßige
Philosophen." Der Physik-Nobelpreisträger Werner
Heisenberg formulierte es so: "Der erste Schluck aus dem
Becher der Wissenschaft führt zum Atheismus, aber auf dem Grund wartet
Gott".
Leider versuchten die meisten Wissenschaftler, die zu Gott
gefunden haben, ihre religiösen Überzeugungen tunlichst zu
verbergen. Noch vor wenigen Jahren schilderte der Ethnologe John Priest die Haltung der Wissenschaft gegenüber der
Religion folgendermaßen: "Im Wissenschafts-betrieb darf man längst
alles sein -schwarz, schwul, Frau oder Transvestit-, bloß eines auf gar
keinen Fall: gläubig."
Mit dem Bekenntnis zur Religiosität verliere ein Forscher jede
Respektabilität, sagt Priest. So gab es bis vor kurzem nur
wenige Mutige, die sich als Gläubige "geoutet" haben. Während
z.B. Homosexualität schon seit langem nicht mehr als psychische Störung
oder gar als Geisteskrankheit geführt wird, kann der Standpunkt der
Psychiatrie gegenüber der Religiosität gut mit einen Witz, der bei dem
Kongress erzählt wurde, dargestellt werden: Beschwert sich ein
Psychiater beim anderen: "Ich habe einen unmöglichen
Patienten. Ich habe bei ihm alle Methoden und Therapien
versucht, aber er ist noch immer religiös".
Die Wende nahm ihren Lauf in den USA. Dort
schreitet seit einigen Jahren die Annäherung zwischen Wissenschaft und
Religion voran. Religion ist nicht mehr tabu in
Wissenschaftskreisen und bekommt ihren Platz auch im
Schulwesen. Der Grund dafür ist ein politischer: die
Regierungspartei ist auf die christlichen Wählerstimmen
angewiesen. Die Politisierung der Problematik führte leider
auch zu Extremismus auf beiden Seiten ?
Vom amerikanischen Glaubenserwachen profitiert jetzt auch
Europa. Dieser interdisziplinäre, internationale und
interreligiöse Kongress in der Murmetropole, an welchem etwa 1200
Medizinwissenschaftler, Theologen verschiedener Konfessionen und
Religionen, Philosophen und Ethiker teilnahmen und der die Erwartungen der
Veranstalter durch seine große Resonanz bei weitem übertraf, dürfte einer
der ersten auf dem ganzen Kontinent sein und wird bestimmt in die
Geschichte eingehen, da damit nun eine festere Verbindung zwischen
Wissenschaft und Religion geschaffen wurde.
Das "Match zwischen Wissenschaft und Religion", wie der
Kongress von manchen Medien angekündigt worden war, verlief ziemlich fair
- abgesehen von wenigen Sticheleien - und endete unentschieden, vielleicht
mit einem kleinen Vorsprung für die Wissenschaft, da deren Spieler besser
vorbereitet waren und an der Uni sozusagen ein Heimspiel
hatten.
Hoffentlich werden sich die Theologen bis zum nächsten Kongress
üben in Argumentation nach rein wissenschaftlichen Methoden und sich
Gedanken darüber machen, dass sie Gott zwar quasi gepachtet haben mögen,
aber dass sie ohne ihre Nächsten, ohne die Naturwissenschaftler nicht
weiter kommen, denn ohne sie werden sie die psycho-physischen Vorgänge im
Menschen nie verstehen können.
Die Wissenschaftler hingegen könnten sich inzwischen in einer
theologischen Tugend üben, nämlich in Demut, und sich eingestehen, dass
ihnen letztlich nur Theologen den Sinn des menschlichen Daseins erklären
können und ihnen nur Religion das wahre Motto für wissenschaftliche
Forschung liefern kann. (Denn ohne Religion können Motive für
die Forschung nur Ruhm-, Hab- oder bloß Neu-Gier sein, für einen
religiösen Menschen sind sie immer altruistisch: "Wie kann ich mit dieser
Entdeckung jemandem helfen?".)
Es wäre wunderbar, wenn beide (einstweiligen ?) Kontrahenten
einsehen würden, dass sie nur mit vereintem Wissen das ganze menschliche
Wesen -als Trinität von Geist, Seele und Leib- vollständig begreifen
können. Denn nur dann können sie den Menschen wirklich
helfen. Im Alleingang vermögen sie nur teilweise und nur
zeitlich Heil(igung) zu verschaffen.
Wären Mediziner und Theologen gemeinsam nicht ein Dream-Team,
das sich in dieser psychisch und physisch gestörten Welt -ganz ohne
Pseudoreligion der Wellness und Profitgier der Pharmaindustrie- um die
leibliche und geistige Gesundheit der Menschen und deren seelische
Erfüllung (sprich Glück!) kümmern könnte?
* Heute wissen wir dank des großen Fortschritts auf dem Gebiet der Genetik, dass auch das Genom als Speicherort für die riesige "Videothek" des Archetypus auszuschließen ist. CDs aller Vorträge und Diskussionen sind erhältlich beim Verein "Carpe Diem". Zusammenfassungen der einzelnen Beiträge sind auf der Kongress-Website zu finden. |
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