Haag, 03.07.2013
"Jägerstätter" von Felix
Mitterer
Die mit großer Begeisterung
aufgenommene Premiere des Theaterstücks über den 2007 selig
gesprochenen Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter beim Haager
Theatersommer ist eine späte Genugtuung für die Kinder, Enkel und
Urenkel des Bauern aus St. Radegund im Bezirk Braunau.
Seine Frau Franziska, die fast 70 Jahre lang dafür gekämpft hatte,
dass der heldenhafte Widerstand ihres Mannes gewürdigt werde,
erlebte die Aufführung leider nicht mehr. Sie ging zwölf
Tage nach ihrem 100. Geburtstag, am am 4. März 2013 heim zu ihrem
Franz.
Es entstand ein sehr
authentisches Werk, da es sich auf die Jägerstätter-Biographien von
Dr. Erna Putz stützt und rund um den Briefwechsel zwischen Franz und
Franziska aufgebaut ist. Die Zuschauer erfahren die Gedanken
der beiden ganz unmittelbar, indem die großartigen Darsteller von
Franz (Gregor Bloeb) und Franziska (Gerti Drassl) abwechselnd die
Originalbriefe zitieren.
Als Hauptdarsteller
Gregor Bloeb vor 3 Jahren Felix Mitterer bat, für ihn ein Stück über
Jägerstätter zu schreiben, das er am Ende seiner Intendanz beim
Haager Theatersommer aufführen wollte, war der berühmte Autor
zunächst nicht begeistert. Erst aufgrund seiner
Recherchen änderte er seine Meinung. Er entdeckte dabei
nämlich zunächst, dass Jägerstätter nicht ein Sonderling und
Außenseiter, ein "Softie" oder ein "Kirchenbankdrücker" war, für den
er ihn gehalten hatte. Vielmehr lernte der Tiroler den
Innviertler als aufrechten, lebensfrohen und tatkräftigen Mann
kennen, der ganz im Sinne der Tiroler Freiheitskämpfer auf sein
Gewissen hörte und sich -obwohl ein treuer Katholik- weder von
seinem Heimatpfarrer noch durch den Linzer Bischof umstimmen
ließ.
Eine zweite bedeutsame
Entdeckung war die tiefe Liebe zwischen Franz und
Franziska. Natürlich hatte auch seine Frau versucht ihn
umzustimmen. Sie wusste, dass auf Wehrdienstverweigerung
die Todesstrafe stand. Sie hatten damals schon drei
kleine Kinder, drei Mädchen. Als sie aber merkte, wie
allein er dastand mit seiner Entscheidung, stellte sie sich
schließlich auf seine Seite. Sie sagte ihm, als alle ihn
noch ein letztes Mal zum Einrücken bewegen wollten: "Tu wie du
musst. Ich steh zu dir!" Er wurde 2 Monate lang im
Linzer Ursulinenkloster, das von der Wehrmacht als Gefängnis
mißbraucht wurde, gefoltert, schikaniert. Im Mai 1943
wurde er nach Berlin überstellt, im Juli von den Militärrichtern zum
Tode verurteilt. Am 9. August 1943 wurde er in
Brandenburg an der Havel enthauptet.
Und noch ein Drittes führt Felix
Mitterer in seinem Vorwort "Mein Weg zu Franz Jägerstätter"
an: die Behauptung, dass sein Opfer letztlich sinnlos war,
weil er dadurch ja nichts verändern konnte, stimmt einfach
nicht: "Der amerikanische Soziologe Gordon C. Zahn hat nach dem Krieg das erste Buch
über Jägerstätter geschrieben, was zur Folge hatte, dass Franz zum
Vorbild zahlreicher Kriegsdienstverweigerer in der ganzen Welt
wurde. Vor allem auch während des Vietnamkrieges haben
sich viele auf ihn berufen. Und es ist seinem Opfertod
zu verdanken, dass im II. Vatikanischen Konzil die Katholische
Kirche endlich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung
anerkannte."
Felix Mitterer bedankte sich bei
der Familie Franz Jägerstätters für das entgegengebrachte Vertrauen
und meinte: "Jägerstätter gehört der ganzen Welt."
Zwei der drei Töchter sowie 13 Enkel und Urenkel sahen die
Premiere. Intendant Gregor Bloeb, der neben Gerti Drassl
unter der Regie von Stephanie Mohr die Hauptrolle spielt,
resümierend: "Felix Mitterer hat für uns ein ebenso
wunderbares wie berührendes Stück geschrieben. Eine
große Liebesgeschichte über einen einfachen österreichischen Bauern,
der letztendlich die Welt veränderte."
Felix Mitterer wäre nicht er
selbst gewesen, wenn er mit Kritik an Kirche und Gesellschaft
gespart hätte, dennoch ist seine Kritik wie immer gerecht, und wie
immer stellt er nicht nur negative sondern auch positive
Eigenschaften der Menschen und aufbauende Momente dar. Auch in
diesem Stück sind Schwarz und Weiß stark kontrastiert aber
ausbalanciert und die Betonung liegt beim Guten. Dieses
Werk findet sich auch sonst weit abseits von mainstream "Bashing"
auf Kirche und Religion. Das Stück endete mit dem
Sprechchor "Seliger Franz Jägerstätter, bitt' für uns !", was
keineswegs theatralisch oder ironisch klang.
Es war ein absolutes MUSS für
Menschen aller Weltanschauungsprägungen -nicht nur für Gläubige und
Friedensaktivisten- denn Franz Jägerstätter ist ein Zeichen für
unsere Zeit, in welcher sich die westlichen Demokratien zunehmend zu
einem ebensolchen totalitären Überwachungsstaat degradieren, gegen
den er sein Leben als Zeugnis gab.
Insbesondere mögen sich
gebürtige Österreich mit dem "Fall" Jägerstätter
auseinandersetzen. Denn einerseits soll es nicht sein,
dass Menschen wie Jägerstätter und Familie Trapp im Ausland noch
immer bekannter sind als in ihrer Heimat, und andererseits ist die
Aufarbeitung der Nazi-Zeit nicht gerade nachhaltig bewältigt worden,
was die Gefahr mit sich bringt, dass sich die Geschichte wiederholen
könnte.
Mehr Fotos hier. Einige Links:
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