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Rabenstein an der Pielach, 22.09.2014 "Die Kunst der Versöhnung" Auf Einladung von Ulrich Reinthaller, dem Gründer des "Dialogikum Phönixberg", hielt die Frauen- und Friedensaktivistin Leymah Gbowee aus Liberia den gleichnamigen Vortrag. Leymah Roberta Gbowee, 42 Jahre alt, erhielt gemeinsam mit ihrer Landsfrau Ellen Johnson Sirleaf und der Jemenitin Tawakkul Karman 2011 den Friedensnobelpreis für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und Frauenrechte. In ihrer Heimat organisierte sie Frauen über religiöse Grenzen hinweg und gründete eine Organisation, die sich gegen die Kriegsherren im liberianischen Bürgerkrieg richtete. Gbowee wird damit ein maßgeblicher Anteil an der Beendigung des blutigen Bürgerkriegs zugewiesen. Als 1989 in Liberia wegen ethnischer Konflikte zwischen den Volksgruppen und des Kampfes der Kriegsherren um die politische Macht der Bürgerkrieg ausbrach und das Land in Flammen aufging, war sie noch ein junges Mädchen. Während des Krieges ist sie Sozialarbeiterin geworden, danach Traumatherapeutin. Im Jahr 2002 organisierte sie die Gründung der Bewegung 'Women of Liberia Mass Action for Peace', durch welche die Frauen Liberias wieder Mut und Hoffnung bekamen. Sie versammelte Christinnen und Musliminnen auf den Marktplätzen zum gemeinsamen Gebet. Der Erfolg der Frauen in der Konfliktlösung in Afrika war also getragen vom Glauben an Gottes Allmacht und Barmherzigkeit. An diesem Montagabend, der von Barbara Pachl-Eberhart moderiert wurde, erzählte Leymah Gbowee im Kultursaal der Gemeinde zunächst, wie ihr Engagement begann: "I had a dream !" In einem Traum wies sie eine Stimme an, Frauen zu versammeln und mit ihnen um den Frieden zu beten. Zunächst dachte sie: "Gott kann doch nicht mir einen Auftrag erteilt haben, ich bin eine Sünderin, lebe in einer unehelichen Beziehung !“ Aber ihr Pastor ermutigte sie: "Gott wählt für große Taten immer kleine Sünder aus ! Erzähle deinen Traum den Frauen in der Kirche, du musst die Stimme Gottes wahr werden lassen!" Aber nur vier ältere Frauen waren dafür, so blieben ihre Zweifel bestehen. Ausschlaggebend war für sie die Erkenntnis, die sie durch die Aufschrift auf einem Peace-Camp T-Shirt eines Mädchens gewonnen hat: "In der Welt gibt es für jeden einzelnen von uns etwas zu tun". Gott hat also in jedem von uns etwas Besonderes geschaffen, das nur wir zu einer besseren Welt beitragen können. Auf die Frage der Moderatorin "Braucht es etwas, das Menschen heilig ist, um sich wirksam für den Frieden einsetzen zu können? Oder laufen wir Gefahr, ohne das Heilige in Unfrieden mit uns selber und unserer Umgebung zu geraten?", antwortete die Friedensaktivistin: "Wir alle haben eine einzigartige Essenz in uns, einen Sinn zu erfüllen. Das, was dich nicht schlafen lässt - dafür musst du die Lösung finden ! Wo andere aufhören wollen, da geh du den entscheidenden Schritt weiter. Hab Mut, du selbst zu sein." Sie fragt sich selbst: "Bin ich mutig ?" Und meint: "Ich glaube nicht !", und: "Bin ich verrückt ? - Ja !" Oft handelt sie nämlich, wie sie bekennt, ohne nachzudenken. Jede Gesellschaft braucht "peace careing capacities", sonst driftet sie ab: Leute wie Mandela in Südafrika, die sagen "Stop !". In den meisten Ländern fehlt das, und ohne Gemeinsamkeiten kann Friede nicht gelingen. Syrien, Irak, Ukraine, Russland haben es nicht. Deshalb brauchen wir den konstruktiven Dialog, der nach einem gemeinsamen Punkt sucht, der Menschen zusammenführt. Dialog sei hier im Pielachtal nicht unbekannt - schon durch den Friedenstifter Kardinal König, der ja aus Rabenstein war. Ein Kommunikationsproblem sei, dass wir zu-einander sprechen, nicht mit-einander ("at"- und nicht "to or with" eachother). "Dadurch entstehen Mauern. Wir müssen unseren Kindern beibringen, wie das geht: respektvoller Dialog auf gleicher Ebene. Wir haben Vorurteile, Konzepte und schubladisieren so die Menschen. Es ist wichtig, hinzuhören, aufeinander zu zu gehen." Wie soll man auf Menschen zugehen, die Schlimmes getan haben? Leymah Gbowee ging zu den Warlords und sprach mit ihnen. "Als ich diesen Kriegsherren gegenüber stand, sah ich ängstliche Jungen, die Kalaschnikows brauchten für ihre Selbstsicherheit. Wenn man ihnen mit friedlichen Gesprächen kommt, verwirrt sie das, weil sie so etwas nicht kennen." Gegenseitige Verletzungen machen abhängig voneinander. Die einzige Lösung sei die Vergebung ! Keiner kommt weiter: man ist aneinander gefesselt, wie sie durch das Beispiel zweier an den Unterarmen zusammengebundener Schülerinnen demonstrierte. Da braucht es die Entscheidung, den ersten Schritt zu tun: idealerweise soll der Täter zum Opfer gehen und um Vergebung bitten, Doch ist es auch möglich, dass das Opfer zum Täter geht und ihm seine Verletzungen benennt. Dabei sei die Überwindung des Stolzes das Wichtigste. Friedensarbeit sei Schwerstarbeit und bedeute, den Menschen ein bisschen anders zu begegnen als üblicherweise. "Wir als Eltern haben die Verantwortung, Respekt, Gewaltfreiheit und Frieden zu vermitteln. Die Schritte, die wir bei unseren Kindern setzen, tragen bei zur Rettung der Welt !" Abschließend bedankte sich Ulrich Reinthaller bei Leymah Gbowee für "die Schönheit ihres Wesens, die wahren Worte und die Einfachheit ihrer Botschaft" und überreichte ihr einen grünen Schal mit dem Zeichen des Pielachtals, der Dirndl- oder Kornelkirsche. Frau Gbowee nahm sich auch noch Zeit für gemeinsame Fotos mit Friedensaktivisten und vielen Schülern von Maturaklassen aus Wien und Niederösterreich. |