Die Soziologen und die Kirche in Österreich, die seit Jahren auf die katastrophale demografische Entwicklung hinweisen, von den weltlichen Medien oft als Panikmache abgestempelt, bekommen ausgerechnet von deren Seite immer mehr Unterstützung. So greift das Magazin "News" in seiner letzten Ausgabe das Thema auf mit dem Artikel: "Österreich - das Land ohne Kinder". Es ist fraglich, ob die gleichzeitige Promotion für kinderlose Ehepaare eine zielführende Maßnahme dagegen ist.
Kinder-Haben hängt nachweislich weniger von der materiellen Situation, sondern vielmehr von einer Geisteshaltung ab. Daher ist die einzige schmerzlose Maßnahme (die Alternative wäre massive Zuwanderung) eine tiefgreifende Bildung der Menschen -insbesondere der jungen- bezüglich Familie und Kindern, aufgrund derer sie in der Lage wären, ihre Haltung gegenüber Kindern und Kinder-Bekommen zu ändern. Genau in diese Richtung wirkt das von Kardinal Schönborn gegründete "Internationale Theologische Institut für Studien zu Ehe und Familie" (ITI).
An diesem Wochenende organisierte das seit 10 Jahren in Gaming bestehende Institut eine interdisziplinäre Tagung zum Thema "Die Kindheit- Grundlegung der Persönlichkeit". Der Tagung, die im "Haus am Sonntagberg" stattfand, wohnte auch der St.Pöltner und "Familienbischof" DDr. Klaus Köng bei. Und sie bot Information und Bildung auf höchstem Niveau mit international renommierten Referenten. Die folgende Zusammenfassung der Vorträge ist manchmal etwas mehr interpretiert als zitiert: Was DDr. Michael Waldstein, ITI Kanzler und Professor für Neues Testament, der zugleich österreichischer und amerikanischer Staatsbürger ist (und nebenbei gesagt, eine Familie mit acht Kindern hat) in seiner Eröffnungsansprache betont hat, nämlich dass die Eltern von ihren Kinder eigentlich zu lernen haben (nach Mt18,3: "Wenn ihr nicht wie die Kinder werdet ...") , baute Dr. med. Gintautas Vaitoska, Psychiater, Neurologe und Theologe, Prof. an ITI und in Vilnius / Litauen, in seinem Workshop "The Child as Your Teacher" weiter aus.
Nach dem Vortrag "Psychologie entdeckt Tugenden" von Dr. Paul Vitz, Em. Prof. für Psychologie, New York University, ist im Jubiläuumsjahr Freuds leider (oder besser: zum Glück) festzustellen, dass die Psychoanalyse tot ist. Sie reduziert alles auf Sexualität und war die Grundlage für die überholte "Negative Psychologie". Die aufkommende "Positive Psychologie" baut nicht auf Abnormalitäten der menschlichen Seele, sondern auf deren Tugenden auf. Die Psyche wird nicht wie in einem analytischen Prozess zerstückelt und zersetzt, sondern durch affirmative Prozesse so gestärkt, dass ihr " Autoimmunsystem " den Frustrationsdruck der Stresssituationen und/oder der Traumata standhält ohne unadäquate oder unverhältnismässige Reaktionen und ohne dass es zum Ausbruch einer psychischen Krankheit kommt. In seinem zweiten ausgezeichneten Vortrag "Die Krise der Vaterschaft" sprach Vitz über die Wichtigkeit des Vaters in der Persönlichkeitsbildung des Kindes. Was passiert, wenn den Kindern das Vaterbild fehlt, zeigt uns die Deliquentenstatistik: die allermeisten Verbrecher haben keinen oder einen schlechten Vater gehabt. Verlust des Vaterbildes in der Gesellschaft ist Folge des Verlustes des Gottesbildes, denn die "Krise der Vaterschaft ist eine Glaubenskrise", und er wies darauf hin, dass die Priester und Lehrer das fehlende oder verzerrte Bild des Vaters bei den Betroffenen substituieren können, so wie es z.B. Don Bosco tat.
Da Dr. Phil Mango, Prof. am JPII Institut für Studien zu Ehe u. Familie in Washington und Dir. der St.Michaels Klinik für Psychotherapie in New York, aus gesundheitlichen Gründen nicht fliegen konnte, hielt er seinen Vortrag "Einfluss von Kindheitserfahrungen auf Erwachsenensexualität" per Videoschaltung.
Die englische Kinderbuchautorin und Journalistin Joanna Bogle machte in ihrem temperament- und humorvoll gehaltenen Vortrag "Kindheit kontra moderne Jugendkultur" unsere Konsumgesellschaft dafür verantwortlich, dass an die Stelle der Idee einer geschützten, ja heiligen Kindheit die Vorstellung trat, Kinder müssen als kleine Erwachsene gesehen werden. So verlieren sie ihre Kindheit aufgrund einer künstlichen Jugend-Subkultur, die ihnen Kleidermarken, Musikstil, Ernährungsgewohnheiten und Meinungen in fast durchwegs pornografisch aufgemachten Teenager-Magazinen präsentiert. Wir stehen dieser Entwicklung aber nicht ohnmächtig gegenüber. Da auch wir Teil des Marktes sind, können wir mitbestimmen, welche Bücher und Zeitschriften angeboten werden. Märchen und phantasievolle Bücher sind für die geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unvergleichbar besser als aktuelle, triste Reality-Show-artige Jugendliteratur. Kinder, die wirklich Probleme haben, finden weder Trost noch Hilfe darin. Gute Bücher dagegen können fehlende lebende Vorbilder teilweise ersetzen.
Als besondere Krönung erwartete die Tagungsteilnehmer am Sonntag nach der Messe der Abschlussvortrag von Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, die an der Universität Dresden den Lehrstuhl für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaft innehat. Unter dem Titel "Die Kindheit in der postmodernen Gesellschaft" erklärte sie auf äußerst eloquente Weise die im gegenwärtigen Europa vorherrschende Haltung des "nihil nocere" (niemandem schaden), was zu einer Reduktion auf ein Minimum an sozialem Verhalten und Werten führe. Die sogenannte Postmoderne sei als Reaktion auf das mörderische 20. Jahrhundert zu verstehen. Kindheit vollziehe sich heute in einem Europa, das mit sich selbst abrechne, die traditionellen Werte kritisiere, doch nichts Positives an deren Stelle anbietet.
Alle Vorträge können auf Audio CD bei Radio Maria , das live übertragen hat, oder auf MP3 CD direkt bei ITI bestellt werden.