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Seitenstetten, 26.09.2010
"Vierkanter sind Juwelen des Mostviertels" Prof. Cerny auf bewußtseinsbildender Vortragsreise durchs Mostviertel im Rahmen des NÖ/OÖ Projektes "Vierkanthöfe" Nach der Wiederherstellung des guten Rufes des gesunden Landestrunkes wird jetzt das Landeswahrzeichen, der Vierkanter, wiederentdeckt und erforscht. * Mit Vorträgen über Ergebnisse seiner langjährigen heimatkundlichen Forschungen möchte der Historiker und Germanist Prof.Dr. Heimo Cerny in der Bevölkerung das Bewußtsein stärken, dass die Mostviertler Vierkanter echte geschichtliche und kulturelle, aber zugleich bedrohte Baujuwele sind. Über 3 Tausend Vierkanthöfe wurden in 30 Gemeinden der "Moststrasse" im Zuge des Projektes "Vierkanthöfe" gezählt, einer Kooperation der NÖ Region Moststrasse mit der Region Linz-Land. Für Dr. Cerny sind Vierkanter die "vollkommenste aller Gehöftformen". Die imposantesten seien rund um Haag und St.Valentin zu finden, wo die unverputzte Sichtziegelfassade vorherrscht. Vierkanthöfe bestehen erst seit etwa 100 Jahren und die meisten in der Region sind kaum über 60 Jahre alt. Sie wirken "wie stolze Burgen, als Zeichen demonstrativer Bauernherrlichkeit für den elitären 'Mostadel', der sich die herrschaftlichen Meier- und Zehenthöfe des 16./17. Jahrhunderts zum Vorbild genommen hat. In der "Georgica Curiosa", herausgegeben 1682 von Wolfgang Helmhard Freiherr von Hohberg, wurde den Bauern die Form des Vierkanthofes empfohlen. Der 1400 Seiten umfassende Band enthält auch den ersten überlieferten Bauplan eines Vierkanters. Allen anderen Theorien zum Trotz (Anlehnung an das röm. Atriumhaus, die "villa rustica", Wehrhaftigkeit gegen Türkeneinfälle, Bayernimport, ?) waren die Überlegungen dabei rein praktischer Natur, so Dr. Cerny. Durch den Bau der Westbahn und die Mithilfe vieler Wanderarbeiter aus Friaul erlebten die Höfe einen neuen Aufschwung. Da die Stroh gedeckten Dächer wegen Brandgefahr beim Funkenflug durch Ziegel ersetzt werden mussten, wurde meist auch gleich ein zweites Geschoß aufgestockt. Die Italiener waren künstlerisch begabte Handwerker, sodass sich die vormaligen Zweckbauten teilweise zu Mode- und Prestigeobjekten reicher "Bauernadeliger" wandelten. Der Reichtum des Hofbesitzers wurde oft an der Anzahl der Fenster gemessen und spiegelte sein Ansehen. Die Herstellung der dreihunderttausend Ziegel, die für einen Hof benötigt wurden, dauerte an die zwei Jahre. Der Lehm wurde aus dem eigenen Grund und Boden geschlagen, gebrannt mit Holz aus den eigenen Wäldern. So ist der Vierkanter im wahrsten Sinne des Wortes "bodenständig" und "kann nicht mehr vervollkommnet werden, sondern nur noch aufgelöst". Trotz des wirtschaftlichen und touristischen Aufschwungs des Mostviertels im letzten Jahrzehnt sind die Vierkanter gefährdet, da sie nicht in die EU-Richtlinien passen, und werden dadurch vermehrt zum Problemfall. Das Projekt möchte helfen, neue Nutzungsmöglichkeiten zu finden und individuelle Konzepte zu erstellen, um die Wahrzeichen des Mostviertels vor dem drohenden Verfall zu bewahren und sie zeitgerecht zu adaptieren. Bei seinem Vortrag, der im Rahmen des Herbstfestes des Bildungshauses St.Benedikt stattfand, lud Professor Cerny jetzt schon zur 2012 stattfindenden Ausstellung im "Vierkanter Gottes" ins Stift Seitenstetten ein. Musikalisch sehr passend und
originell begleitet und umrahmt wurde die Veranstaltung vom Quartett
"d'ghearoaza" aus Vestenthal, das es meisterhaft verstand, das
Gehör der zahlreichen Anwesenden angenehm zu
reizen.
* Bücher von
Prof.Cerny, u.a.: "Die Moststraße" und "Der Most - Taufpate einer
Region" |